Digital Leadership – Führungskompetenzen in einer digitalen, vernetzten Welt

Digital – das neue analog. Auch bei Führung?

Unser Leben ist vernetzt. Wir befinden uns mittendrin in der digitalen Revolution. Wie schaffen es Unternehmen, sich den Herausforderungen der digitalen Transformation zu stellen, die mit aller Macht alles bisher Dagewesene in Frage stellt oder gar niederzureißen droht? Können innovative Transformationsprozesse nur von Digital Natives beherrscht werden und muss die klassische Führungskraft ihren Hut nehmen? Oder muss sich die „analoge“ Führungskraft zur „digitalen“ Führungskraft wandeln?

Erhard Semlitsch

Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert und was vernetzt werden kann, wird vernetzt!

Führungskräfte sind in der digitalen, vernetzten Welt neuen Herausforderungen ausgesetzt. Führen nach dem Prinzip „Ansage von oben“ funktioniert immer weniger, flache Hierarchien liegen im Trend.

Im digitalen Zeitalter ändert sich gerade im Projektleben vieles rasend schnell, und es befindet sich auch das Verständnis von Führung im Umbruch, was manchmal in ein falsches Verständnis von „moderner Führung“ mündet. Es besteht jedoch kein Grund zur Panik: Führung muss sich zwar verändern, ist aber gefragter denn je.

Die digitale Technik beeinflusst die Art, wie wir miteinander umgehen, Informationen austauschen und zusammenarbeiten. Sie macht vieles möglich, birgt aber auch Konfliktpotenzial und kann den einzelnen Menschen verunsichern. Aufgabe der Führungskraft ist es daher, die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen wahrzunehmen, als Vorbild zu wirken und vor allem bewusst persönliche Begegnungen zu gestalten – und das war bisher auch schon so. Was unterscheidet nun die digitale Führungskraft von der analogen Führungskraft?

Die analoge Führungskraft als digitaler Tausendsassa?

Es geht nicht darum, dass sich die analoge Führungskraft zum digitalen Tausendsassa entwickeln muss. Sie soll weiterhin das tun, was ihre eigentliche Aufgabe ist: Die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und der Mitarbeiter:innen sicherstellen.

Angesichts zunehmender Digitalisierung lautet die Frage: Wie sieht mein Führungshandeln unter diesen Voraussetzungen in Zukunft aus? Auf welche Grundlagen stützt sich mein Führungshandeln und was sind meine Kernkompetenzen als Führungskraft in dieser digitalen Welt? Der Blick in die Vergangenheit und auf bereits Gelerntes hilft der Führungskraft dabei nicht weiter, denn bekannterweise lassen sich die (Führungs-)Fragen der Zukunft nicht mit den Methoden der Vergangenheit beantworten.

Stattdessen bedarf es einer vorausschauenden, den Umgebungsbedingungen angepassten Sichtweise, die schnelle Veränderungen akzeptiert und bei den Mitarbeiter:innen salonfähig macht.

Es gilt, richtige Prioritäten zu setzen, kompetente „Digitalköpfe“ ins Team aufzunehmen und einzugliedern, diese zu fördern und zu stärken – und im Zweifelsfall auch „alte Zöpfe“ abzuschneiden. Dies erfordert einen Wandel im Führungshandeln und in der Führungskultur sowie einen Veränderungsprozess, der manchmal mit althergebrachten Strukturen und Prozessen bricht.

Die Führungskraft muss konsequent fortschrittlich und vorausschauend agieren – und hier liegt manchmal die Schwierigkeit: Menschen denken linear und können sich exponentielles Wachstum nicht oder nur kaum vorstellen. Aber genau dies ist im digitalen Zeitalter existentiell, denn die Veränderungsgeschwindigkeit wächst exponentiell: Heute werden durchschnittlich mehr Informationen pro Sekunde über das Internet ausgetauscht als vor 20 Jahren im gesamten Internet gespeichert waren.

Schnelligkeit und Agilität stehen in einer digitalen Wirtschaft im Fokus, und Unternehmen müssen anders funktionieren, um besser reagieren zu können. Ein Umdenken ist notwendig, denn in den letzten Jahren haben Unternehmen ihre Führungskräfte auf Effizienz getrimmt mit dem Ziel, Prozesse zu standardisieren und kurzfristig Ergebnisse zu liefern. Aber Innovation ist das Gegenteil von Effizienz, denn Effizienzdenken verhindert Innovation!

Wer zu neuem Denken anregen will, muss Freiräume schaffen, die Unsicherheit mit sich bringen, da das Ergebnis nicht bekannt ist und im Zweifel auch wieder verworfen werden muss.

Digital Leadership bedeutet, ein Arbeitsumfeld zu kreieren, welches es den Mitarbeiter:innen ermöglicht, positiv mit diesen Veränderungen umzugehen, in dem „Trial and Error“ gelebtes Prinzip ist und Fehler nicht als Makel abgetan werden. Dieser Kulturwechsel im Unternehmen kann nur stattfinden, wenn er von Führungskräften gewünscht, getragen und vorgelebt wird.

Die gute Nachricht: Um diesen Wandel zu gestalten, bedarf es keiner aufwändigen Programmierkünste seitens der Führungskraft. Es braucht keinen digitalen Alleskönner, sondern eine „Digital-ready-Führungskraft“, die nicht alles versteht, aber alles möglich machen muss. Und das war bisher auch schon der Schlüssel zum Erfolg.

In der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUCA-Welt sowie im digitalen Zeitalter benötigen Führungskräfte ein teils anderes Kompetenzprofil, meist ist jedoch (noch) unklar, welche Kompetenzen dies konkret sind. Dies gilt es zu klären, damit sich die Suche der Führungskräfte nach Antworten auf die Frage „Wie soll ich im digitalen Zeitalter führen?“ in dieselbe Richtung bewegt und im Unternehmen (allmählich) ein neues, gemeinsames Führungsverständnis und damit eine neue, gemeinsame Führungskultur entsteht.


Es braucht eine „Digital-ready-Führungskraft“, die nicht alles verstehen, aber alles möglich machen muss.


8 Thesen für „Digital-ready-Führungskräfte“

 

These 01 – Wir brauchen keinen „Master of the Universe“ als Führungskraft.

Führung im digitalen Zeitalter ist zwar anspruchsvoll, jedoch keine Aufgabe, die nur Menschen mit Superkräften bewältigen können.

These 02 – Kommunikationsfähigkeit bleibt die Top-1-Kompetenz – Dialog, nicht Monolog!

Die „dialogischen Kommunikationsfähigkeiten“ Feedback geben, Zuhören, Coachen, etc. werden weiterhin relevanter sein als die „monologischen Kommunikationsfähigkeiten“ wie Storytelling oder Rhetorik. Im digitalen Zeitalter wird der Dialog mit den Mitarbeiter:innen für den Führungserfolg bedeutsamer sein als der auf dem hierarchischen System basierende Top-down-Monolog mit ihnen.

These 03 – Leadership goes digital, bleibt jedoch analoger als das Business!

Die Führungskraft im digitalen Zeitalter erscheint analoger als es die Digitalisierung des Unternehmens vermuten lässt. Der Führungsprozess ist auch im digitalen Zeitalter ein weitgehend analoger, denn: Menschen führen Menschen. Auch wenn die Digitalisierung einen großen Einfluss auf fast alle Lebens- und Arbeitsbereiche zeigt, ersetzt sie nicht die menschliche Beziehung.

These 04 – Führungskräfte bleiben Führungskräfte und sind gleichzeitig auch Change-Manager und -Leader!

Die Handlungsfelder der Veränderung sind sehr weitreichend und umfassend und beziehen sich auf Prozesse, Strukturen, (Mitarbeiter-) Beziehungen und Erwartungen, Geschäftsmodelle und -strategien, Haltungen und Einstellungen, Kommunikationsformen, Kompetenzanforderungen und selbstverständlich auch auf die Führung an sich. Der permanente Wandel ist im digitalen Zeitalter die größte Herausforderung für Führungskräfte. Führungskraft zu sein bedeutet künftig zugleich Change-Manager und Change-Leader zu sein. Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit mit all ihren Voraussetzungen und Wirkungen sind nicht ein, sondern DAS Führungsthema.

Digital Leadership

Digital Leadership: 8 Thesen für "Digital-ready-Führungskräfte"

These 05 – Ziele erreichen mit den Menschen!

„Wertschätzung“ und „Mitarbeiterorientierung“ bedeuten, den Menschen ins Zentrum des Führungsprozesses zu stellen. Der Fokus des Führungshandelns ist in erster Linie auf die individuellen Bedürfnisse des/der Mitarbeiter:in als Mensch gerichtet, auf seine Potenziale und Stärken und in zweiter Linie auf seine fachlichen Aufgaben. Die hohe Bedeutung der Mitarbeiterorientierung löst Führung aus der Umklammerung des „sachlichen Managements“ heraus. Im Zentrum des Führungshandelns stehen weniger das Planen, Organisieren und Steuern der Prozesse im Arbeitsalltag, sondern das Schaffen einer motivationsunterstützenden (Führungs-)Kultur: Integrieren, Befähigen und Ermächtigen – also „Führen“ – von Menschen sowie die wertschätzende und respektvolle Kommunikation mit ihnen.

These 06 – Innovationsfähigkeit ist wichtig, jedoch nicht zu disruptiv!

Dahinter steckt die Anforderung, Neues zu erkunden, zu initiieren und zu ermöglichen. Die Handlungsfelder können sich dabei auf neue Businessmodelle, neue Denkmuster, technologische Neuerungen, neue Prozesse und Strukturen oder innovative Skills beziehen. Die Innovationsfreude und -bereitschaft hat jedoch Grenzen: Zu radikal bzw. zu revolutionär darf es nicht sein. Das „disruptive Denken“ soll eine moderate „europäische Digitalisierung“ sein, statt einer radikalen „Silicon-Valley-Digitalisierung“.

These 07 – Transparenzorientierung: eine neue Kompetenz im digitalen Zeitalter?

Dahinter steht die Anforderung an die Führungskraft, in den Beziehungen zu ihren Mitarbeiter:innen für mehr Transparenz zu sorgen – auch bezüglich der (eigenen) Werte und Ziele, des geplanten Vorgehens sowie der internen und externen Zwänge. Denn: Transparenz schafft Vertrauen, wirkt motivierend und bildet die Grundlage für eigenständiges und eigenverantwortliches Arbeiten. „Transparenzorientierung“ ist eine neue Kompetenz im digitalen Zeitalter, denn: Transparenz ist nicht nur ein Wesensmerkmal der Digitalisierung und modernen Teamarbeit, sondern auch verhaltenswirksam – und somit ein Führungsinstrument.

These 08 – Digitalkompetenz ist wichtig, jedoch nicht am wichtigsten!

„Digitalkompetenz“ meint Anforderungen an die Führungskraft, wie ein übergreifendes technologisches Grundverständnis, IT-Kompetenz, Datenverständnis und -analyse sowie ein fundiertes Wissen in den Bereichen E-Commerce, Social Media, Mobile, Big Data und digitale Technologien. Der digitale Transformationsprozess wird bestimmt von digitalen Technologien, die zu Disruptionen führen (können) und braucht eine Art „Digital Leadership“, welche auch im digitalen Zeitalter trotz der veränderten (Kommunikations-)Strukturen und Beziehungen ein weitgehend analoger Prozess bleibt, in dem der Faktor Vertrauen eine zentrale Rolle spielt. Führungskräfte benötigen im Digitalbereich daher eine Beurteilungskompetenz, um entscheidungs- und handlungsfähig zu bleiben. Die (Fach-)Experten bzw. Spezialisten in diesem Bereich brauchen sie jedoch nicht zu sein.

 


Auch wenn die Digitalisierung einen großen Einfluss auf fast alle Lebens- und Arbeitsbereiche zeigt, ersetzt sie nicht die menschliche Beziehung.


Fazit

  • Geben Sie sich als Führungskraft (und Ihren Mitarbeiter:innen) die Zeit und die Chance, die tatsächlich benötigten „digitalen“ Führungskompetenzen zu erkennen, zu verstehen und im Rahmen Ihres täglichen Führungshandels umzusetzen, um sich nicht „kaputtanzupassen“.
  • Leben Sie als Führungskraft Ihren Mitarbeiter:innen vor, was Sie mit „digitalem Führungshandeln“ meinen, denn Vorbildwirkung ist immer noch (und besonders im digitalen Zeitalter) eine der besten Lernmethoden, um bei anderen Menschen eine Verhaltensänderung hervorzurufen.
  • Auch hier handelt es sich wieder einmal um einen Reifeprozess, der sich nicht beliebig beschleunigen lässt!
  • Hausverstand hilft auch hier wieder bei der Umsetzung!
  • Über Wirkung und Nebenwirkungen beim Einlassen auf „Digital Leadership“ fragen Sie daher niemals Ihren Arzt oder Apotheker, sondern immer nur sich selbst und Ihre Mitarbeiter:innen!

 

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