Von der Haltung zur Handlung – was gute Führung heute braucht
Sozialkompetenz im Projekt
Projekte werden von Menschen gemacht – nicht von Plänen. Ob ein Projekt gelingt, entscheidet sich selten an der Methodik, sondern am Miteinander: Wie wir kommunizieren, wie wir auf Druck reagieren und wie wir mit Konflikten umgehen.
Im aktuellen TPG-Podcast zeigt unser Experte Erhard Semlitsch: Sozialkompetenz ist kein „Nice-to-have“. Sie ist eine der wichtigsten Eigenschaften erfolgreicher Führungskräfte, wenn Teams unter Druck Leistung bringen sollen.
Hier lesen Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Gespräch zusammengefasst.
In Projekten prallen Erwartungen, Emotionen und Strukturen aufeinander.
Gute Projektleiterinnen und Projektleiter führen nicht mit Titeln, sondern mit Haltung. Sie hören zu, schaffen Orientierung – und bleiben auch dann ruhig, wenn es ungemütlich wird. Sozialkompetenz ist die Fähigkeit, das Menschliche im Projekt nicht als Störfaktor, sondern als Erfolgsfaktor zu begreifen.
TPG Podcast #151: Von der Haltung zur Handlung – was gute Führung heute braucht
In Projekten treffen Meinungen, Emotionen und Erwartungen aufeinander – umso wichtiger sind Führungskräfte, die klare Ziele formulieren, Verantwortung übernehmen und Haltung zeigen.
In der aktuellen Podcast-Folge von TPG The Project Group spricht unser Kollege Erhard Semlitsch über:
- warum Selbstführung der erste Schritt zu echter Führung ist,
- wie man Verantwortung übernimmt, ohne Kontrolle auszuüben, und
- warum Sozialkompetenz kein „Soft Skill“, sondern harte Führungsarbeit ist.
Dieser Artikel fasst die wichtigsten Inhalte der beiden Episoden des Podcast-Gesprächs (Teil 1 & 2) zusammen.
1. Führung beginnt bei der Selbstführung
Wer andere führen will, muss sich zuerst selbst führen können. Das ist mehr als Disziplin oder Organisation – es bedeutet, in schwierigen Situationen die eigene Mitte zu halten und bewusste Entscheidungen zu treffen.
Projektleitende stehen täglich im Spannungsfeld zwischen Erwartungen, Zeitdruck und Konflikten. Ein verpasster Meilenstein, eine eskalierende Kundenmail, ein unmotiviertes Teammitglied – jede Situation kann Emotionen auslösen. Wie Sie damit umgehen, bestimmt Ihre Führungswirkung.
Selbstführung heißt, innezuhalten, bevor man reagiert. Ein kurzer Moment des Bewusstseins kann verhindern, dass Stress die Kommunikation bestimmt. Diese Fähigkeit lässt sich trainieren – mit einfachen Routinen: tief atmen, beobachten, dann handeln.
Ein Beispiel: Ein Projekt gerät in Verzug. Der Kunde fordert sofortige Maßnahmen. Eine Leitung ohne Selbststeuerung ruft in Panik ein Krisenmeeting ein, verteilt Schuld und erzeugt Druck. Das Team zieht sich zurück. Eine selbstgeführte Leitung analysiert ruhig die Lage, benennt Optionen und kommuniziert transpar ent. Das Team bleibt handlungsfähig.
Diese bewusste Ruhe ist eine der wichtigen Eigenschaften guter Führung. Sie wirkt wie ein emotionaler Anker und stärkt die Führung von Mitarbeitern und MItarbeiterinnen durch Gelassenheit und Orientierung. Erhard Semlitsch formulierte es im Gespräch treffend: „Menschen folgen nicht dem lautesten, sondern dem ruhigsten Kopf im Raum.“
Selbstführung schützt auch die psychische Gesundheit. Dauerstress führt zu Fehlern, Gereiztheit und Vertrauensverlust. Wer dagegen regelmäßig reflektiert, schafft innere Stabilität.
Unser Tipp:
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Beobachten Sie Ihre Stressmuster – wann reagieren Sie impulsiv?
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Nutzen Sie kleine Rituale: bewusstes Atmen, kurze Pausen, mentale Reframing-Fragen wie „Was braucht die Situation jetzt?“
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Kommunizieren Sie erst, wenn Sie wieder klar denken können.
Selbstführung ist keine Technik, sondern eine Haltung – und damit der erste Schritt, um Ziele zu erreichen und Vertrauen aufzubauen. Sie sendet Ihrem Umfeld das stärkste Signal: „Ich bleibe ruhig – also können Sie es auch.“
2. Führen ohne formale Macht – Orientierung statt Kontrolle
Projektleitende tragen Verantwortung, oft ohne disziplinarische Befugnis. Sie können keine Anweisungen geben – und müssen dennoch sicherstellen, dass das Team funktioniert. Diese Situation fordert eine besondere Form der Führung: Führen durch Orientierung statt Kontrolle.
Laterale Führung heißt, Einfluss aufzubauen, ohne Macht auszuüben. Das gelingt, wenn Menschen verstehen, warum sie etwas tun und wofür ihr Beitrag wichtig ist, wie ihr Beitrag hilft, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Klarheit ersetzt Autorität, Transparenz ersetzt Kontrolle.
Ein Beispiel: In einem cross-funktionalen Projektteam ist unklar, wer welche Prioritäten setzt.
Statt zu bestimmen, lädt die Projektleitung zur Abstimmung ein: „Was brauchen wir, um gemeinsam erfolgreich zu sein?“ Das Team diskutiert Rollen, Ziele und Abhängigkeiten – und entwickelt ein gemeinsames Verständnis. Der Effekt: Verbindlichkeit entsteht aus Beteiligung, nicht aus Anordnung.
Unser Tipp:
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Führen Sie durch Sinn: Erklären Sie das „Warum“ hinter jeder Aufgabe.
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Moderieren Sie Entscheidungen, statt sie zu diktieren.
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Bauen Sie Vertrauen auf, indem Sie Zusagen konsequent einhalten.
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Vermitteln Sie Sicherheit durch Struktur – und Freiheit durch Vertrauen.
Führung ohne Macht ist die Kunst, Strukturen zu schaffen, die Orientierung geben, ohne Menschen zu bevormunden. Das verlangt Klarheit, Geduld und Kommunikationsgeschick – aber es zahlt sich aus. Teams, die freiwillig folgen, sind motivierter als solche, die müssen. Erfolgreiche Führungskräfte schaffen Strukturen, die das volle Potenzial ihrer Teams zur Entfaltung bringen.
3. Führen auf Augenhöhe – Verantwortung mit Respekt
Führung bedeutet, Menschen ernst zu nehmen – besonders dann, wenn sie Fehler machen oder anderer Meinung sind. Entsprechend entsteht Führung auf Augenhöhe dort, wo Respekt wichtiger ist als Rechthaben.
Fakt ist: Respektvolle Kommunikation ist die Basis jeder leistungsfähigen Teamkultur. Ein autoritärer Stil erzeugt Angst und Schweigen. Eine Führung auf Augenhöhe hingegen schafft Sicherheit und Offenheit.
Beispiel: Eine Mitarbeiterin liefert eine unvollständige Analyse. Die Leitung könnte sie im Teammeeting kritisieren – doch sie entscheidet sich anders. Sie bittet zum persönlichen Gespräch: „Ich habe gesehen, dass hier etwas nicht gepasst hat. Was war los? Wie können wir das beim nächsten Mal vermeiden?“ Diese Haltung wahrt Würde – und stärkt die Beziehung.
Das Team lernt: Fehler sind Lerngelegenheiten, keine Bedrohung.
Auch das eigene Verhalten prägt Augenhöhe. Eine Projektleiterin, die offen zugibt, wenn sie selbst etwas übersehen hat, signalisiert: „Hier darf man ehrlich sein.“ Diese Authentizität schafft Vertrauen.
Unser Tipp:
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Trennen Sie Verhalten von Persönlichkeit: Kritik nie vor anderen.
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Geben Sie Lob öffentlich, Feedback im persönlichen Rahmen.
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Verwenden Sie eine verbindende Sprache („wir“ statt „du“).
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Hören Sie wirklich zu – nicht, um zu antworten, sondern um zu verstehen.
Gegenseitiger Respekt ist kein weicher Faktor – er ist ein Produktivitätsmotor. Wo Vertrauen herrscht, übernehmen Menschen Verantwortung. Wo Angst herrscht, wird geschwiegen.
4. Kultur entsteht durch Verhalten
Kultur entsteht nicht durch Worte, sondern durch Taten. Jedes Projektteam hat eine Kultur, auch wenn niemand sie bewusst definiert hat. Sie zeigt sich in den kleinen Dingen: Wird pünktlich begonnen? Wird offen gesprochen? Wird nach Lösungen gesucht – oder nach Schuldigen? Aufgaben einer Führungskraft sind deshalb nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern auch kulturell: Vorbild sein, Klarheit schaffen, Werte sichtbar machen.
Beispiel: In einem Team herrscht die unausgesprochene Regel: „Fehler werden bestraft.“
Folge: Informationen werden zurückgehalten, Risiken verschwiegen. In einem anderen Team gilt: „Fehler sind Lernchancen.“ Hier werden Probleme früh adressiert, und das Projekt bleibt steuerbar.
Kultur ist das, was bleibt, wenn der Projektplan endet. Und sie wird maßgeblich durch das Verhalten der Leitung geprägt. Wer offen, konsequent und ehrlich handelt, schafft Vertrauen – auch ohne große Worte.
Unser Tipp:
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Beobachten Sie, was in Ihrem Team „normal“ ist – und ob Sie damit leben können.
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Benennen Sie gewünschtes Verhalten klar: „Mir ist wichtig, dass wir offen über Risiken sprechen.“
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Feiern Sie kleine Erfolge, nicht nur Meilensteine – das prägt Kultur positiv.
Eine gesunde Teamkultur ist kein Zufall. Sie ist das Resultat bewusster Führung.
5. Fürsorgepflicht – Achtsamkeit als Führungsqualität
Projektleitende tragen Verantwortung für die Menschen im Team – auch ohne formale Vorgesetztenrolle. Das bedeutet, hinzusehen, wenn Überlastung droht, Konflikte schwelen oder Motivation nachlässt.
Ein Beispiel: In einem großen Infrastrukturprojekt arbeitet eine Expertin gleichzeitig in drei Projekten. Die Deadlines überschneiden sich, sie wirkt zunehmend gereizt. Statt das als „mangelnde Belastbarkeit“ zu werten, sucht die Projektleitung das Gespräch: „Ich sehe, dass Sie stark eingebunden sind. Wo können wir Prioritäten anpassen?“ Diese Haltung schafft Entlastung – und verhindert, dass die Leistung dauerhaft leidet.
Unser Tipp:
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Beobachten Sie Stimmungswechsel und Müdigkeit im Team.
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Sprechen Sie Belastung offen an, bevor sie zum Problem wird.
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Ermutigen Sie zu Selbstschutz: „Melden Sie sich, wenn’s zu viel wird.“
Fürsorge bedeutet nicht, Aufgaben abzunehmen. Es heißt, die Menschen zu befähigen, gesund leistungsfähig zu bleiben.
6. Virtuelle Teams – Nähe auf Distanz schaffen
Virtuelle Zusammenarbeit verlangt neue Formen sozialer Kompetenz. Ohne Flurgespräche, spontane Gesten oder zufällige Begegnungen fehlt das „soziale Schmiermittel“. Nähe muss aktiv hergestellt werden – bewusst und regelmäßig.
Ein Beispiel: Ein internationales IT-Projekt führte ein wöchentliches Ritual namens „Weekend Friday“ ein. Jeden Freitagmittag treffen sich alle virtuell – ohne Agenda, ohne Folien, einfach zum Plaudern. Man spricht über Erfolge der Woche, persönliche Highlights oder manchmal nur darüber, wer welchen Kaffee trinkt.
Was nach Zeitverschwendung klingt, wirkt auf neurologischer Ebene wie ein Team-Booster. Solche Rituale fördern das Bindungshormon Oxytocin – das gleiche Hormon, das Vertrauen und Zugehörigkeit stärkt. Wenn Menschen lachen, sich verstanden fühlen und positive Emotionen teilen, schüttet das Gehirn Oxytocin aus. Das senkt Stress und fördert Zusammenarbeit – auch über Distanz.
Eine Teamleiterin aus dem Projekt brachte es treffend auf den Punkt: „Nach dem Weekend Friday habe ich jedes Mal das Gefühl, mein Team wirklich zu kennen – nicht nur ihre Aufgaben.“
Virtuelle Teams brauchen genau das: menschliche Momente zwischen den Meetings. Rituale wie der „Weekend Friday“ oder kurze persönliche Check-ins ersetzen die zufällige Begegnung auf dem Büroflur. Sie schaffen das Gefühl: Wir gehören zusammen.
Ebenso wichtig ist Kommunikation mit Struktur und Klarheit. In virtuellen Umgebungen fehlen Zwischentöne. Was unausgesprochen bleibt, wird oft missverstanden. Daher gilt: besser einmal zu viel nachfragen als eine falsche Annahme treffen.
Unser Tipp:
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Schaffen Sie wiederkehrende Rituale, die Verbundenheit fördern –
z. B. einen „Weekend Friday“ oder „Coffee Monday“. -
Geben Sie Raum für Menschliches: Erfolge, Pannen, Humor.
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Wiederholen Sie Kernaussagen regelmäßig – Klarheit ersetzt Körpersprache.
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Erkennen Sie: Emotionale Verbindung ist kein Luxus, sondern Produktivitätsfaktor.
Virtuelle Nähe entsteht durch Interesse, Empathie und Verlässlichkeit. Wenn Menschen sich gesehen und wertgeschätzt fühlen, steigt die Motivation – und das Team funktioniert wie ein echtes Miteinander, auch über tausende Kilometer hinweg.
7. Empathie als Haltung – nicht als Methode
Empathie lässt sich nicht in Trainingsmodulen lehren, sondern nur kultivieren. Sie beginnt mit der Bereitschaft, den anderen wirklich wahrzunehmen.
Ein Beispiel: Ein Projektleiter, der in einem internationalen Team arbeitet, erlebt, dass ein Kollege aus einem anderen Kulturkreis Aufgaben immer wieder verschiebt. Statt über mangelnde Disziplin zu urteilen, fragt er nach – und erfährt: Im Herkunftsland des Kollegen gilt es als unhöflich, direkt „Nein“ zu sagen. Das Problem war kein Mangel an Wille, sondern ein Missverständnis in der Kommunikation.
Empathie heißt, Unterschiede zu akzeptieren, ohne sie zu bewerten. Das gilt nicht nur kulturell, sondern auch individuell: Menschen ticken verschieden – und das ist gut so.
Unser Tipp:
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Hören Sie mit dem Ziel zu, zu verstehen – nicht, zu antworten.
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Suchen Sie aktiv nach Perspektivenwechseln: „Wie sieht das der andere?“
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Üben Sie sich in Geduld – Verständnis wächst durch Interesse, nicht durch Eile.
Empathie ist keine Schwäche. Sie ist die Fähigkeit, Brücken zu bauen – und das macht Projekte tragfähig, auch in stürmischen Zeiten.
Fazit
Sozialkompetenz im Projekt ist die Leitwährung moderner Führung. Sie entscheidet darüber, ob Projekte nur gemanagt oder wirklich geführt werden. Technik, Tools und Methoden sind wichtig – aber sie bleiben wirkungslos, wenn das Miteinander nicht stimmt. Führung im Projekt heißt eben: Menschen Orientierung, Sicherheit und Sinn zu geben.
Erfolgreiche Projektleiterinnen und Projektleiter haben eines gemeinsam – sie kennen sich selbst, respektieren andere und schaffen Räume, in denen Leistung und Menschlichkeit sich nicht ausschließen.
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zu den PMCC Sozialkompetenz-SerminarenDas ausführliche Gespräch mit Erhard Semlitsch bei TPG The Project Group gibt’s hier:
Podcast #151: Was gute Führung heute braucht
Was ist los.
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